Schon eine Kleinigkeit kann Zivilcourage sein

Der Coach für Zivilcourage vom Team Gewaltmanagement im Interview mit den Zivilen Helden.

Mit der Rubrik „Vier Fragen an …“ möchten wir unterschiedliche Meinungen aus verschiedenen Blickwinkeln zum Thema Zivilcourage vorstellen und haben eine ganze Reihe an wichtigen Partnern und Experten befragt. Heute: Chaska Stern vom Team Gewaltmanagement. Er ist Trainer für Zivilcourage im Bereich Gewaltprävention, Deeskalation und Selbstschutz. Zudem ist er Mitglied im Sprecherrat des Bundesnetzwerk Zivilcourage und aktiver Kampfsportler. 

1. Was ist ein ziviler Held für Dich? Was macht einen zivilen Helden aus?I

Ich respektiere die Heldinnen und Helden in uns allen. Wir alle haben in der einen oder anderen Weise mit Herausforderungen und Themen zu kämpfen und Wege zu finden, mit uns und unserer Umwelt umzugehen. Manchmal gelingt das, manchmal brauchen wir Hilfe. Oft sind diese Kämpfe für die Menschen in unserer Umwelt gar nicht so deutlich sichtbar, sie reduzieren uns gern auf das, was sie zu verstehen meinen, vielleicht weil sie es selbst kennen. Und manchmal führt dieses Nichtsehen oder Nichtgesehenwerden, dass andere Menschen in ein Geschehen eingreifen müssen. Ich wünsche mir, dass wir alle soweit sind, das dann in richtiger Weise zu können.

2. Wie sollen sich Menschen zivilcouragiert engagieren?

Zivilcouragiertes Verhalten setzt genau dort an. Ich beobachte gern Menschen und versuche zu sehen, was sie zu tragen haben. Es sind Kleinigkeiten, mit denen zivile Courage beginnt. Ein Blick der zeigt, dass ich interessiert bin, ein freundliches Wort auf der Straße stärkt das soziale Netz, egal ob ich die Person kenne oder jemals wiedersehe. Der vielzitierte Zusammenhalt der  Gesellschaft beginnt damit, aufmerksam durch das Leben zu gehen, den Blick für die anderen Menschen zu haben und dabei offen für deren Leben und Lebensleistungen zu bleiben. Darüber hinaus nutzt alles, was Menschen schützt und stärkt. Wenn es uns nicht gelingt, respektvoll mit anderen umzugehen, hilft es, wenn sich jemand auf die Seite des Respekts stellt. Eine kleine Geste kann reichen. Wer muss, sollte in einer schwierigeren Situation aber auch sicher handeln können. Ich beurteile dabei lieber  Situationen, das Verurteilen von Menschen ist im Zweifel Sache eines Gerichtes.

3. Frage: Wie können Menschen erreicht werden, sich für Toleranz und Demokratie einzusetzen?

Alle Menschen tolerieren. Die individuelle Frage ist, was und wie weit ich bereit bin, zu tolerieren. Im Alltag ist es meist nicht sinnvoll, sich gegen Menschen zu stellen, die anderen gerade Probleme bereiten. Die agieren doch gerade schon aus einer echten oder angenommen Bedrohung heraus. Das gilt auch für Täter, bei denen wir keine Bedrohung erkennen. Sie werden zu meist zu Tätern, weil sie ihre Grundbedürfnisse mit ihren Mitteln nicht befriedigen können oder das zumindest annehmen. Nach meiner Erfahrung erreiche ich Menschen oft schon, wenn ich versuche, sie auf ihre Grundbedürfnisse anzusprechen. Dort, wo es Grenzen gibt, müssen sie natürlich auch deutlich gemacht werden. Aber ich denke, wir erreichen für Toleranz – besser Akzeptanz – in der Gesellschaft viel, wenn wir das wertschätzend und respektvoll tun. Das soll die Hilfe für Täter nicht vor die Hilfe für Opfer stellen. Genau hier kommt Demokratie ins Spiel. Wir alle in der Gesellschaft müssen Verantwortung für  Mitmenschen übernehmen. Egal ob wir Einfluss darauf haben, wie Recht in Gesetze formuliert wird, Gesetze umgesetzt werden oder einfach nur Forderungen stellen. Wenn irgendetwas davon respekt- und empathielos gemacht wird, nehmen die Menschen ihre Verantwortung nicht wahr. Es fehlt an Wertschätzung.

Zivilcourage war ursprünglich ein politischer Begriff im Kampf um Respekt, würdevollen Umgang aller Menschen miteinander und die Möglichkeit der Erfüllung von Grundbedürfnissen für alle. Seit dem hat keine demokratische Gesellschaft diese Forderungen vollständig umgesetzt aber jede Diktatur hat uns noch viel mehr davon entfernt.
Das heißt, jedes Mal wenn ich mich empathisch und selbstempathisch, zivilcouragiert verhalte, erreiche ich Menschen und setze einen Punkt für demokratische Ideale. Ignoriere ich diesen Aspekt meines Handelns, verhalte ich mich respektlos und undemokratisch. Beides vermittel ich in diesem Moment aber auch meinen Mitmenschen.
Menschen zu erreichen, egal ob tolerante Demokraten oder nicht, ist für mich keine formelle Angelegenheit. Ich fang da ganz klein unten an der Basis an. Es fließt für mich in die normalen Gespräche mit ein. In Seminaren oder Trainings – auch zu anderen Themen – gehe ich aber auch situativ gezielt demokratisches Verhalten an.

4. Ist zivilcouragiertes Handeln heute besonders wichtig? Warum?

Vermutlich wird nur sichtbarer und deshalb bewusster, dass mehr zivilcouragiertes Handeln schon länger notwendig gewesen wäre. Jede Zeit hatte ihre Herausforderungen. Und in jeder Zeit gab es Menschen, die sie angenommen oder ignoriert haben. Wenn es uns heute in besonderer Weise notwendig erscheint zu handeln, ist das ein Zeichen, dass in der Vergangenheit Themen ignoriert wurden, die wir jetzt individuell und gesellschaftlich angehen müssen. Aber eben nicht nur, um Fehler auszubügeln, sondern auch, um weitere  Fehler zu vermeiden.

Weitere Infos:
Team Gewaltmanagement, Coach für Zivilcourage im Netz

 

 

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