Jede zweite Anfrage betrifft Verschwörungstheorien

"Jede zweite Anfrage betrifft Verschwörungstheorien"

Mit der Rubrik „Vier Fragen an …“ möchten wir unterschiedliche Meinungen und Einstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln zum Thema Zivilcourage vorstellen und haben eine ganze Reihe an wichtigen Partnern und Experten befragt. Heute: Sarah Pohl von der Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen (ZEBRA BW).

 

1. Was ist ein Ziviler Held / eine Zivile Heldin für Dich?

Zivile Helden sind für mich Menschen, die sich ehrenamtlich und engagiert für andere Menschen oder gesellschaftlich relevante Themen einsetzen. Menschen, die Zivilcourage zeigen und nicht wegsehen bei Mobbing, Diskriminierung oder Anfeindungen. Zivile Helden sind die stillen Brückenbauer, die helfen Meinungsgräben und Polarisierungen zu überbrücken, die respektvoll und mit Achtung auch mit Menschen umgehen, die andere Meinungen vertreten. Zivile Helden fragen nach, wollen die Bedürfnisse des Gegenüber verstehen und setzen sich für eine bunte Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubenssystemen, Meinungen und Ethnien ein.

2. Inwiefern begleitet Sie das Thema Verschwörungsmythen im Alltag?

In meinem Berufsalltag spreche ich täglich mit Angehörigen von sog. Verschwörungsgläubigen. Ich leite die vom Kultusministerium geförderte Beratungsstelle ZEBRA/BW. Bei uns können Menschen anrufen die Fragen rund um Verschwörungstheorien, Esoterik, sog. Sekten und andere Weltanschauungsthemen haben. Wir beraten Einzelpersonen, aber auch Familien und Paare, bei denen es zu Meinungsverschiedenheiten aufgrund unterschiedlicher Überzeugungen gekommen ist. Wir versuchen für beide Seiten Ansprechpartner zu sein, nur wenn Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden, positionieren wir uns. Unser Ziel ist es, dass Menschen trotz unterschiedlicher Überzeugungen und Glauben wieder respektvoll miteinander umgehen.

3. Corona hat das Ganze sicherlich ziemlich angefeuert, oder?

Seit der Pandemie ist das Thema Verschwörungsmythen sehr präsent in unserer Beratungsstelle. Jede zweite Anfrage bezieht sich darauf, wir haben alle Hände voll zu tun. Es ist typisch, dass Krisen den Glauben an Verschwörungsmythen befeuern. Verschwörungsmythen reduzieren Komplexität, machen die Welt scheinbar verstehbarer und benennen obendrein noch Sündenböcke- das kann in Krisen entlastend wirken. Die meisten Verschwörungsmythen, mit denen wir es zu tun haben, beziehen sich auf Themen rund um Corona. Gleichzeitig beobachten wir jedoch auch, dass Menschen mit abweichender Meinung sehr rasch als „Verschwörungstheoretiker“ stigmatisiert werden. Doch längst nicht jeder Kritiker ist ein Verschwörungstheoretiker.

4. Wie kann man Zivilcourage beweisen, wenn jemand im Umfeld sich zunehmend über Verschwörungstheorien radikalisiert?

Ja. Zum Beispiel indem sie trotz der schrägen Ansichten miteinander in Kontakt bleiben. Das hilft dem anderen nicht völlig in seiner Filterblase abzutauchen. Wir alle mögen uns lieber mit Menschen umgeben, die ähnliche Ansichten haben wie wir selbst.  Deswegen kann es sehr herausfordernd sein, den Kontakt zu halten. Versuchen Sie den anderen nicht zu verurteilen, sondern vielleicht gelingt es ja, zu verstehen, weshalb die Verschwörungstheorien gerade so verlockend sind. Und vermeiden Sie langwierige Diskussionen, besser ist es Fragen zu stellen. Fragen können dem anderen helfen, sich selbst zu hinterfragen, laden zu neuen Perspektiven ein und entbinden Sie von der Bürde, selbst Experte für die Gegenseite zu werden.

Eine vertrauliche und kostenfreie Beratung zum Thema Verschwörungsmythen erhalten Sie telefonisch bei der Initiative ZEBRA unter Tel. +49 761 48898296.

Link zur Initiative  www.zebra-bw.de

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