Mit der Rubrik „Vier Fragen an …“ möchten wir unterschiedliche Meinungen und Einstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln zum Thema Zivilcourage vorstellen und haben eine ganze Reihe an wichtigen Partnern und Experten befragt. Heute: Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
- Was ist ein ziviler Held für Sie? Was macht für Sie einen zivilen Helden aus?
In meinen Augen zeichnen sich zivile Helden dadurch aus, dass sie in Diskussionen im öffentlichen Raum, bei denen Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion angegriffen werden, diese von Hass geprägten Aussagen nicht unwidersprochen lassen. Angriffe auf Minderheiten sind immer auch Angriffe auf unsere Gesellschaft als Ganzes. Menschen, die sich dem entgegenstellen, verteidigen damit nicht nur von Hass bedrohte Mitmenschen oder Gruppen, sondern unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat insgesamt.
- Wie sollten sich Menschen zivilcouragiert engagieren?
Menschen sollten immer ihre Stimme erheben, wenn Schwächere herabgesetzt werden- sei es in privaten Gesprächen, in öffentlichen Diskussionen oder im Internet. Es kommt vor allem darauf an, dass sich demokratisch denkende Menschen parteiübergreifend und gesamtgesellschaftlich zusammenschließen um unseren Rechtsstaat mit ihrer inneren Überzeugung zu sichern.
- Wie können wir erreichen, dass sich Menschen für Toleranz und Demokratie einzusetzen?
Menschen brauchen Ideale. Wir müssen die Vorbilder und Organisationen unterstützen und positiv hervorheben, die sich für Schwächere stark machen und Zivilcourage zeigen. Wir dürfen die Meinungshoheit nicht denjenigen überlassen, die mit offen rassistischen Äußerungen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit das Zusammenleben in unserem Land gefährden und unsere Gesellschaft vergiften.
- Ist zivilcouragiertes Handeln heute besonders wichtig? Warum?
Wir erleben in Europa nach den Erfahrungen zweier Weltkriege und des Holocaust mit über 6 Millionen ermordeten Juden und 500.000 ermordeten Sinti und Roma eine über 70-jährige Phase des inneren und äußeren Friedens. Dieser Frieden fußt auf gemeinsamen demokratischen Werten und darf niemals als selbstverständlich angesehen werden. Derzeit drohen diese demokratischen Werte allerdings zu erodieren, wie die jüngsten Wahlerfolge von rassistischen und offen nationalistischen Parteien in ganz Europa gezeigt haben. Daher ist es wichtiger denn je, aufgrund der Geschichte Europas durch zivilcouragiertes Handeln auf allen Ebenen diesen bedrohlichen Tendenzen entschlossen entgegen zu treten.
Von Günther B.