Was versteht man unter Radikalisierung?
Eine Radikalisierung beschreibt den Prozess, in dem ein Einzelner oder eine ganze Gruppe extrem religiöse, soziale oder politische Einstellungen und Überzeugungen entwickelt oder übernimmt und gegebenenfalls eine dementsprechende Ideologie verinnerlicht. Es gibt unterschiedliche Gruppierungen, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene, radikalisieren: Islamistischer Extremismus, Rechts- oder Linksextremismus und andere Bestrebungen. Diese Gruppierungen versuchen auf unterschiedlichen Wegen neue Mitglieder zu gewinnen. Dabei spielt das Internet als Propagandaplattform für die Verbreitung von extremistischen Ideologien eine immer größere Rolle.
Was versteht man eigentlich unter Extremismus?
Ob Linksextremismus, Rechtsextremismus oder Islamismus/Salafismus – eins haben diese Strömungen gemeinsam: Sie lehnen die in Deutschland geltende freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Viele sind offen für die Begehung von Straftaten bis hin zur Anwendung von Gewalt, um ihre Ziele durchzusetzen. Die Polizei spricht von politisch motivierter Kriminalität, wenn Straftaten aus einer politischen Motivation heraus geschehen oder sich gegen den Staat richten.
Islamistischer Extremismus
Der Islamismus in Deutschland ist kein einheitliches Phänomen. Allen Ausprägungen gemeinsam ist der Missbrauch der Religion des Islams für die politischen Ziele und Zwecke der Islamisten.
Islamistische Ideologie geht von einer göttlichen Ordnung aus, der sich Gesellschaft und Staat unterzuordnen haben. Sie will im Namen des Islams eine allein religiös legitimierte Gesellschafts- Staats- und Rechtsordnung errichten. Dieses „Islam“-Verständnis steht im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Verletzt werden dabei vor allem die demokratischen Grundsätze der Trennung von Staat und Religion, der Volkssouveränität, der Gleichstellung der Geschlechter sowie der religiösen und der sexuellen Selbstbestimmung.
An diesen Merkmalen erkennt man eine mögliche Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen:
Tunnelblick
Die Welt wird lediglich nun mehr aus einer Perspektive betrachtet. Andere Informationsquellen, als die von der Gruppe vorgegebenen, werden abgelehnt. Nachrichtensendungen, Fachbücher, selbst theologische Literatur wird als „Lüge“ abgelehnt.
Entfremdung von Familie und sozialem Umfeld
Nahestehende Menschen kommen auf einmal nicht mehr an die von Radikalisierung bedrohte Person heran. Diese ist völlig unzugänglich für vernünftige Argumente und blockt Diskussionen von vornherein ab. Die emotionale Beziehung ist empfindlich gestört, weil die Bindung zur neuen, islamistischen und gleichgesinnten Gruppe Oberhand gewinnt.
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus dient als Sammelbebegriff für eine menschen- und demokratiefeindliche Weltanschauung, die aus mehreren ideologischen Komponenten besteht. Eine einheitliche, allgemein gültige Definition gibt es nicht. Die Strafverfolgungsbehörden setzen beispielsweise andere Schwerpunkte als die Sozialwissenschaften. Einigkeit besteht darin, dass der Rechtsextremismus im Kern eine Ideologie der Ungleichwertigkeit bildet. Rechtsextreme Menschen, Gruppen oder Parteien definieren sich stark über ihre nationale/ ethnische Zugehörigkeit und möchten sich von anderen Nationen, Kulturen und Ethnien abgrenzen, die sie als "schlechter" und "minderwertiger" ansehen oder denen sie weniger Rechte zugestehen. Hierzu gehören auch das Streben nach einem autoritären Staat sowie das Gesellschaftsbild von einer homogenen „Volksgemeinschaft“. Die Gleichheit aller Menschen wird von ihnen infrage gestellt.
Vor allem die Möglichkeiten des Internets können auf Radikalisierungsprozesse einen enormen Einfluss haben. So feinden insbesondere Rechtsradikale Menschen mit einer anderen Hautfarbe, einer anderen Staatsangehörigkeit, einem anderen Glauben oder aus einer anderen Kultur an - oder auch Menschen, die aus anderen Gründen "anders" als sie oder die Mehrheit sind, etwa weil sie andere politische Ansichten haben, homosexuell, krank, behindert oder obdachlos sind.
An diesen Merkmalen erkennt man eine mögliche rechtsradikale Orientierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alltag:
Bekleidung
Glatze und Springerstiefel sind oft die erstbesten Erkennungsmerkmale. Inzwischen jedoch möchten Rechtsextreme etwas dezentere Kleidung tragen. Es gibt beispielsweise einen ganzen Markt von Bekleidungsmarken, die fast ausschließlich im Milieu getragen werden:
Symbole
Symbole, Codes und Erkennungszeichen - die rechtsextreme Szene benutzt eine Vielzahl von versteckten Botschaften. Als Basis dienen das Alphabet und die Position der Buchstaben darin. H ist zum Beispiel der achte Buchstabe des Alphabets, 88 steht dann für HH, also "Heil Hitler". Für Außenstehende sind diese auf den ersten Blick nicht eindeutig zu erkennen. Hier eine Auswahl:
Des Weiteren hat die rechtsextreme Szene eine ganze Reihe von Wortneuschöpfungen entwickelt, die sie nutzt, um sich zu verständigen, ohne dafür strafrechtlich verfolgt werden zu können. Hier finden Sie einen Überblick
Andere Bestrebungen
Linksextremismus
Die linksextremistische Szene setzt sich aus verschiedenen Personengruppen zusammen, die sich ideologisch, organisatorisch sowie in ihren Aktionen teilweise stark unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, die Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen, notfalls auch mit Gewalt. Anstelle der freiheitlichen Demokratie soll – je nach ideologischer Ausrichtung – eine sozialistische beziehungsweise kommunistische Gesellschaft oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft treten. Ihre theoretischen Leitfiguren sind - in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Interpretation - Marx, Engels, und Lenin. Gewalt, verstanden als „revolutionäre Gewalt“ der „Unterdrückten gegen die Herrschenden“, gilt grundsätzlich als legitim.
Reichsbürger und Selbstverwalter
Zu Reichsbürgern und Selbstverwaltern zählen Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und das Rechtssystem ablehnen. Sie sind häufig auch Anhänger von Verschwörungstheorien.
Sekten und religiöse Gemeinschaften
Mitglieder in Sekten schlagen religiöse, philosophische oder politische Richtungen ein, die sich durch ihre Lehre oder ihren Ritus von vorherrschenden Überzeugungen unterscheiden und oft im Konflikt mit ihnen stehen.
Warum wird eine übermäßige, politisch motivierte Handlung schnell zu einer Straftat?
Zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gehören zum Beispiel die Menschen- und Persönlichkeitsrechte. Diese umfassen unter anderem die Unantastbarkeit der Menschenwürde oder das Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Eine Straftat ist unter anderem dann politisch motiviert, wenn eine Person zum Opfer wird wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder ihrer Herkunft, ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status.
Rechtsextreme verbreiten teils subtil, teils offen ihre menschenverachtenden Inhalte. Rassismus, Homosexuellenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsideologien werden hier ganz offen propagiert. Es wird zu Gewalt aufgerufen und mit drastischen Gewaltdarstellungen Angst und Hass geschürt.
Insbesondere im Internet orientieren sich Rechtsextreme bewusst an jugendlichen Interessen, ihrem Medienverhalten und bedienen gezielt ihre Hör- und Sehgewohnheiten, um sie für ihr Menschenbild zu gewinnen.
Zivile Helden handeln gegen Radikalisierung
Jugendliche, die sich radikalisieren, sind auf der Suche nach Orientierung. Der Dialog ist eines der wichtigsten Mittel, um Jugendlichen das Gefühl zu vermitteln, nicht allein zu sein. Es gilt eine Atmosphäre zu schaffen, die verhindert, dass Jugendliche und junge Erwachsene sich radikalisieren und radikales Gedankengut überflüssig macht.
Dabei spielt das soziale Umfeld eine große Rolle. Geschwister, Eltern, Freunde - die nahestehenden Personen können aktiv mithelfen, um Gefahr zu vermeiden.